oly-e Adventskalender 22.12.2021

Nein, diesmal geht es nicht um Nebel oder Licht oder Männerspielzeug – die abgebildete Wumme spielt in der 15-Kilo-Klasse und macht im Zweifel ziemlich schnell ziemlich große Löcher in Wände oder Fußböden – sondern um Bildgestaltung. Dieses Bild – Überraschung – ist nach dem goldenen Schnitt komponiert. Im Hochformat 4:3 ist das bei Personen so ziemlich die einzige Möglichkeit, sie aus der Mitte zu bringen. Bei zwei zu eins – also der “Drittelregel” – braucht es neben dem Hauptmotiv ein Nebenmotiv. Woher nehmen und nicht stehlen? Also goldener Schnitt.

Gerade läuft ja im Monatsthema ebenfalls der goldene Schnitt und da wird heftig auf Schnittpunkten von Linien konstruiert. Das funktioniert aber nicht. Hier ist die linke, senkrechte Linie für mich die wesentliche Linie. Wenn ich Lena mit dem Hammer auch noch auf die waagrechte obere Linie verfrachten will, muss ich sie nach oben schubsen und habe unten auf einmal Luft. Sieht das gut aus? Nada. Merke: ein goldener Schnitt reicht völlig. Mehr überfordert den Betrachter – genauer, die Wirkung geht wieder verloren.

Nochmal goldener Schnitt: eine leerstehende Villa in der Toskana. Klar, die Kante an der Tür kippt, dafür ist die Pflanze gerade, irgendwas ist immer. Auch hier: eine Linie reicht, in der Waagrechten ist der Schwerpunkt des Motivs in der Bildmitte. Das beruhigt in Summe, wirkt “Schöner”. Hätte man hier den Schwerpunkt in den Schnittpunkt zweier Linien gesetzt, wäre die Pflanze kleiner geworden, die Decke oder die dunkle Ecke links dominanter. Viel hilft hier nicht viel. Insgesamt sollte das Motiv auch irgendwie als solches erkennbar sein – und nicht zu klein oder zu groß.

Klassische Anwendung für den goldenen Schnitt sind natürlich Porträts. Asgard im Halbprofil. Goldene Regel zum goldenen Schnitt – die Orientierung des Porträts immer ins Bild hinein…..

Wie bei allen Bildgestaltungsregeln: Ohne wirksames Motiv ist die gesamte Bildgestaltung für die Katz. Es gibt Fotobuchautoren, die in belanglosen Bildern so lange mit Lineal und Zirkel herumschrauben, bis sie ausgefinkelste Gestaltungsregeln, Kreise, Spiralen, Quadrate und das Atomgewicht von Uran gefunden haben. Nur dass es eigentlich genau andersrum gehen sollte. Man setzt Motive auf den goldenen Schnitt, weil das dann besser aussieht – oder, genauer, wenn Motive gut aussehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie im goldenen Schnitt liegen. Denn der Trick ist ja, dass wir weder beim Betrachten noch beim Fotografieren mit dem Maßband rangehen – sondern wir einfach “fühlen”, dass das so besser aussieht. Und das liegt nicht am goldenen Schnitt, bzw dieser irrationalen Zahl mit beliebig vielen Stellen, sondern daran, dass wir das so empfinden. Das hat schon funktioniert, bevor diese Zahl berechnet wurde.

Auch der hier liegt im goldenen Schnitt. Und ich schwör – als ich das fotografiert habe, hatte ich das entsprechende Gitter im Sucher nicht eingeschaltet. Das funktioniert “auch so”. Weil’s einfach “richtig” aussieht.

Also: Zuerst das Motiv. Dann überlegen, zentriert oder versetzt? Wie weit versetzt? Wenn ich extrem versetze, habe ich ein Zweitmotiv, das das Übergewicht im anderen Teil des Bildes wieder auffängt? Und dann losknipsen.

Und nach dem Knipsen: heißes Bad einlassen, viel Schaum, über Forendiskussionen nachdenken – und dann mit dem Schwamm drüber…..

Und wenn man wieder trocken hinter den Ohren ist: Wie man sich am oly-e.de-Adventskalender zugunsten des Klabautermann eV beteiligen kann, steht hier.

5 Gedanken zu „oly-e Adventskalender 22.12.2021“

  1. Hallo Reinhard,
    Du sprichst mir aus der Seele und dem ist nichts hinzuzufügen.
    Genau so und nicht anders wurde es anno 1960 in der Berufsschule
    uns Buchdrucker – und Schriftsetzerlehrlingen vermittelt.
    Frohes Fest
    Hanno

  2. Dein Model im ersten Bild mit dem Abbruch-Moped vermittelt den Eindruck, dass sie Spaß am Tun hat. Mein Tipp: Ab März wieder ab ins Ahrtal zum Helfer-Schuttle, da werden immer Leute mit Abbruchgerät gebraucht. Das Erleben einer unglauglichen Solidarität und reichlich Glücksgefühle inklusive…
    Hat jetzt nix mit goldenem Schnitt zu tun, aber bei dem Bild kamen mir sofort wieder meine Einsätze im Ahrtal in den Sinn…
    Gruß aus HH
    Achim

    1. Ich habe mich vom Ahrtal bewusst meilenweit ferngehalten – ich wollte da nicht noch irgendwem im Weg rumstehen. Aber wenn Du da Verbindung hast, wo man effektiv was bewegen kann…..

      1. Das war auch eine kluge Entscheidung von Dir, da es gerade an den ersten Tagen zu Behinderungen duch hochmotivierte Helfer kam. Aber zwei kluge Unternehmer aus dem Ahrtal haben gemacht was Unternehmer machen sollen. Die haben etwas unternommen… Gib in Deiner Lieblingssuchmaschine mal “Helfer-Shuttle” ein, da wirst Du fündig. Die haben Großartiges bewegt und über 100000 helfende Hände samt Gerät gezielt an die Einsatzorte gekarrt. Ich war 2-mal für jeweils 5 Tage dort und bin, sobald die Winterpause vorbei ist, mit Sicherheit wieder vor Ort. Dann vielleicht nicht mehr mit Abbruchwerkzeug sondern vllt. im Hausbau, Ausbau oder im Wingert…ganz egal, da ist noch auf Jahre tätige Hilfe nötig. Das ist das Projekt (ich habe Teile meiner Kindheit in Ahrweiler verbracht) für das ich mich engagiere auch von HH aus…
        Gruß aus HH
        Achim

  3. Hallo Reinhard,
    vielen Dank, dass du mein Thema mit aufgegriffen hast. Bringt es doch nochmals Licht ins dunkle Thema Gestaltung. Ich will aus dem goldenen Schnitt kein Dogma machen, der ist nur ein kleines Puzzleteil zum bewußten Gestalten. Es ist ein großer Unterschied, wenn ich in den Wald gehe und alles schieße, was mir vor die Flinte kommt. Oder ich gehe in den Wald und bin auf einen Sonntagshasenbraten aus. Dieser Unterschied macht auch den Reitz des Monatsthemas für mich aus.
    Die anderen Adventsthemen mit ihren praktischen Bezug, einfach klasse. Dass sich dein Engagement doch gelohnt hat, Hut ab!
    Gruß Ernst

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