Oly-e Adventskalender 6.12.2021

Freisteller? HighKey? Jeder versteht was anderes drunter und über die Definition von HighKey gibt’s jedes Mal heiße Diskussionen. Darum geht es diesmal nicht. Es geht einfach darum, einen Hintergrund so brutal aufzuhellen, dass er anfängt auszufressen – oder komplett ausgefressen ist.

Ausfressende Stellen, also Punkte im Bild, die keinerlei Zeichnung haben, versuchen Fotografen häufig zu vermeiden, weil sie gerne mit dem Adjektiv „hässlich“ versehen werden. In diesem Fall provozieren wir aber genau das. Weißer Hintergrund konzentriert, er wird deshalb auch gerne für Produktfotografie genutzt. Wenn man, wie hier, Personen fotografiert, gibt der weiße Hintergrund auch noch „Space“. Also bildwirksamen Leerraum. Druckt man das auf eine weiße Seite ist das natürlich vergebene Liebesmühe, aber in einem Rahmen kann dieser Leerraum Bildwirkung entfalten. (Wir hatten auf oly-e ja mal ein Monatstheme „Dark Space“, wo wir die verschiedenen Sorten „Raum“ durchdekliniert haben.)

Ich verwende den weißen Raum natürlich einerseits für Produktfotografie – aber das muss ich hier nicht zeigen – und andererseits gelegentlich für Personenfotografie. Das muss nicht schwarz/weiß sein, hier zum Beispiel mit ArtFilter Crossentwicklung:

Im Prinzip ist das Kochrezept immer gleich: Man richtet zwei Blitze auf den Hintergrund und hellt den so stark auf, dass er überstrahlt. Der Trick dabei ist, dass der Hintergrund dann gar nicht weiß sein muss – das kann auch eine braune Schrankwand sein – schließlich wird alles weiß, wenn es nur hell genug ist. Das Motiv muss dann extra beleuchtet werden, je nach Ansprüchen an die Lichtsetzung mit einem, zwei oder drei weiteren Blitzen. Bei diesem Bild wurden die Softboxen so gesetzt, dass auch Anja noch Licht abbekam. Das sorgt dafür, dass sie schmaler wirkt. Wenn man dafür sorgt, dass die Hintergrundblitze auch wirklich nur den Hintergrund erwischen, dann sieht das so aus:

Da habe ich mit den Klamotten kaschiert. Und natürlich leuchtet der stark beleuchtete Hintergrund nun seinerseits. Den Rest erledigt der ArtFilter Crossentwicklung, der die Kontraste brutal verstärkt und damit gerade bei den Highlights eine alles verheerende Wirkung entfaltet.

Muss aber nicht so brutal sein, geht aus sanfter – sieht man am Titelbild. Oder in Farbe, aber mal ohne ArtFilter:

Da sieht man ein paar Probleme, die diese Art der Fotografie hat: wenn die Blitze nicht weit genug vom Hintergrund weg stehen, ist die Lichtverteilung ungleichmäßig. Wie immer: je größer das Studio, desto einfacher ist die Knipserei. (Immer im Kopf behalten: Die Lichtintensität sinkt mit dem Quadrat der Entfernung. Wenn ich Lichtbereiche im Bild voneinander entkoppeln will, brauche ich Abstand. Raum. Und je näher ich an die beleuchtete Fläche gehe, desto ungleicher wird die Beleuchtung…)

Das zweite Problem sind die fehlenden Schatten. Dieser Schirm wirkt wie reinkopiert, dabei schwebt er, was gar nicht so einfach zu bewerkstelligen war. Und nein, da ist kein dünner Nylonfaden im Spiel. Diese „unsichtbaren“ Fäden reflektieren nämlich und müssen dann umständlich retuschiert werden.

Ein letztes Bild, diesmal von oben, mit ArtFilter Weichzeichner:

Hier geht es nicht, einfach Abstand zum Hintergrund zu halten, auf den Hintergrund Licht draufbraten und den Rest mit Standardlicht lösen. Für so ein Bild muss das Licht buchstäblich von allen Seiten kommen. Selbst Softboxen helfen da nicht, weil die, wenn sie allein auftreten, immer noch gerichtetes Licht produzieren – und damit Schatten – und bei mehreren zu Kreuzschatten neigen. Der Trick ist hier: alle Blitze über die weißen Wände und die Decke blitzen lassen. Damit hat man insgesamt vier riesige Softboxen, die extrem weiches Licht produzieren. Damit man trotzdem noch eine Lichtrichtung hat, wird die linke Decke/Wand etwas stärker beleuchtet als die rechte Wand. Das reicht für einen Helligkeitsabfall, aber nicht für einen Schatten, der diesen Namen verdient. Den Rest macht der Weichzeichner.

Also: Tipp für den Lockdown: entweder eine weiße Wand in der Bude freiräumen, oder ein Bettlaken aufhängen. Und dann einfach mal Licht drauf braten und davor jemanden ablichten…… Wenn’s geht, Ganzkörper mit 25mm aufwärts, Porträts mit 45mm aufwärts. Und nutzt das Display. Ihr seid damit flexibler. Bauchnabelperspektive ist mit Display deutlich entspannter als durch den Sucher. …..

Und um zum Thema zurückzukommen: Wie man sich am oly-e.de-Adventskalender zugunsten des Klabautermann eV beteiligen kann, steht hier.