Für das Wohl des Unternehmens

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    • #3586
      rwadmin
      Cheffe

      Ich habe jetzt bis 3:20 gekuckt und bereits in dieser kurzen Zeit so viel Lügen gesehen, dass ich mir den Rest nicht mehr antue. Jeder zweite Satz enthält eine Verdrehung der Tatsachen und eine Uminterpretation aus der Rückschau. Sorry, Woodford kriegt vielleicht schweißige Hände, wenn er daran denkt. (Und an die 12 Millionen, die ihm das gebracht hat) aber ich kriege hohen Blutdruck wenn ich diesen Typen sehe.

      OK. Das war der Vorspann. Der Hauptfilm fängt an: Das Unternehmen Olympus wurde 1919 gegründet und nach dem griechischen Olymp genannt.
      Schon das ist schlicht und ergreifend falsch. Einfach mal hier kucken: http://olypedia.de/Olympus
      Olympus als Marke gab’s erst 1936 – weil eine Kamera so hieß. Die Semi-Olympus. Erst seit 1949 gibt’s eine Olympus Optical Co. Ltd.
      Feinheiten? Klar. Aber dieser ganze Fall besteht aus Feinheiten, die man tunlichst nicht unter den Tisch fallen lassen sollte. Weil das ganze Bild halt sonst grob daneben geht.
      „1920 Olympus stellt sein erstes Mikroskop her“ – schlicht falsch. Und natürlich darf ein Hinweis auf den zweiten Weltkrieg nicht fehlen. Klar. Auch da gab es Olympus noch nicht, aber Genauigkeit würde ja nur verwirren. Man hätte auch schreiben können, dass die Takachiho Kogaku Kogyo Co. LTD im zweiten Weltkrieg Medizintechnik für Lazarette fertigte. Wäre deutlich korrekter gewesen. Aber passt nicht so schön. Dafür fehlt ein Ausschnitt aus einem Propagandavideo der Amis nicht. „In den 60er Jahren expandierte die Firma nach Europa“ Garniert mit einem Film aus der Fertigung, die eine OM zeigt – die kam aber erst in den 70ern auf den Markt. Dafür haben sie sich mit dem Shinkansen vertan. Die Strecke ist 1964 zu den olympischen Spielen in Betrieb gegangen. Was der Zug bei 1970 zu suchen hat?
      Der folgende Monolog von Woodford – ein Höhepunkt ist, als er den Finanzchef bedroht, nur weil der verhindern will, dass der Gefeuerte Daten und Equipment klaut. Ich fasse es nicht. Sowas erzählt er vor laufender Kamera. Und: Der Chef einer Medizintechnikfirma erklärt, dass man gegen einen Schockzustand große Mengen Zucker zu sich nehmen muss. Heiland! Erste Hilfe Kurs wäre mal angebracht gewesen, oder?
      Und noch was: Seine erste Aktion nachdem er gefeuert ist, ist, einem Journalisten die geklauten Unterlagen unter die Nase zu halten. Das ist jetzt zwar nicht das, was so ein Managerarbeitsvertrag üblicherweise vorsieht, aber Verträge werden ja überbewertet – soweit es Herrn Woodford betrifft.
      Der Rest der Ereignisse – ja, da war diese schwachsinnige Aktion im Web, richtig. Hatte ich fast vergessen. Und ja. Woodford „Das gesamte Direktorium ist verseucht“ Hallo Woodford! Du warst jahrelang Teil dieses Direktoriums!
      „Ausländische Aktionäre sprechen sich für eine Wiedereinsetzung Woodfords aus“. Ja. Es war vor allem eine englische Beteiligungsfirma, die hoffte dadurch einen Fuß in die Tür zu kriegen. Olympus hat nämlich eine fiese Satzung, die beherrschende Anteilskäufe verhindert. Eine sogenannte „Poison Pill“. Und die wird man nur los, wenn man einen Vorstand installiert, der die Satzung ändert.

      Die Darstellung dessen, was abgelaufen ist, ist in einem ganz entscheidenden Punkt unvollständig: Olympus hatte die Wertpapiere, nur waren die nichts mehr wert. Sie standen aber noch mit vollem Wert in den Büchern. Das war damals auch völlig legal (übrigens nicht nur in Japan). Später wurden aber die Bilanzierungsrichtlinien in Japan geändert (übrigens auf amerikanischen Druck). Und auf einmal war das verboten. Olympus hatte also eigentlich 1,2 Mrd auf einen Sitz abzuschreiben. Kikukawa entdeckte diese Altlast, als er antrat und entsorgte sie. Es wurden in dem Sinne also keine Verluste versteckt, sondern lediglich wertlose Wertpapiere mit dem Nennwert verbraten.

      Und: Ich kenne keinen bei Olympus, der Woodford auch nur eine Träne nachgeweint hat. Ich kenne einige interne Stories aus seiner Zeit als Chef in England – no Sir….

      „Ich bat im Fernsehen um eine Unterredung mit der Präsident der SMBC-Bank – Er wollte nicht mal mit mir reden.“ – Sowas nennt man Realitätsverlust. Jemand, der gerade durch seinen Dummfug das Vermögen der Bank – die nicht nur Kreditgeber von Olympus waren, sondern Aktieninhaber – und zwar die Größten! – (wird auch im Bericht nicht erwähnt) um mehrere hundert Millionen Dollar reduziert hat, der ist doch kein Gesprächspartner. Das ist ein gemeingefährlicher Irrer.

      „Diese schwachsinnigen, rückratlosen… die behaupteten, nichts zu wissen.“ Woodford. Lies den Untersuchungsbericht. Da steht klipp und klar drin, dass genau drei Leute wussten, was los war. Und die waren weder schwachsinning, noch rückratlos. Allerdings: Der Untersuchungsbericht erfordert betriebswirtschaftliche Kenntnisse…

      Und „Troubled“ mit „verrufen“ zu übersetzen ist ja schon Realsatire.

      Noch im Abspann: Woodford hat tatsächlich geklagt, aber Olympus hat ihm einen Vergleich angeboten, um die Sache vom Tisch zu kriegen – und Woodford hat angenommen. Es ging ihm wirklich nur um Kohle – nicht um eine gerichtliche Klärung. Lag auch daran, dass er mit seinem „Proxy-War“ seinerzeit eine Anwaltskanzlei in NewYork beauftragt hatte, die natürlich irgendwann Kohle sehen wollte. Ihm ist nämlich mitten in dieser ganzen Aktion das Geld ausgegangen. Auch aus diesem Grund haben ihn die ganzen West-Aktionäre irgendwann fallen lassen. Mit jemandem, der ein großes Rad drehen will, aber seine Rechnungen nicht zahlt, macht man keine Geschäfte.

      Tja. Setzen. Sechs.

    • #3588

      …aber für mich geht es nicht in erster Linie um Woodford. Es geht mir um Olympus, denn ich verwende deren Produkte (und das sehr gern). Und es ist unbestritten, dass die Firmenleitung Mist gebaut hat, um Verluste zu verschleiern. Ich glaube, es geht aus dem Bericht einigermassen klar hervor, dass das niemand gemacht hat, um sich persönlich zu bereichern, sondern um Olympus als Firma besser aussehen zu lassen.

      Der detaillierte chronologische Ablauf der Krise zwischen Woodford und der Firmenleitung finde ich persönlich eher uninteressant – wenn es denn so gewesen ist (was Du ja abstreitest).

      Traurig ist einfach, dass das Krisenmanagement von beiden Seiten her komplett versagt hat. Die einen haben gelogen (oder nichts gesagt), solange es irgendwie ging und der andere ist reingefahren wie der sprichwörtliche Bulldozer und verblüfft, dass nicht alle sofort mit dem Kopf genickt haben. Und natürlich versucht Woodford in dem Film mit aller Kraft, als der Gute dazustehen – zumindest was die Transaktionen anbelangt, hat er da wohl wirklich eine weisse Weste.

      Was ich an dem Bericht interessant finde, ist das Bild, das die japanischen Beteiligten (der ehem. Direktor, der Enthüllungsjournalist, der Verleger von FACTA und der Dolmetscher) von der japanischen Unternehmenskultur zeichnen. Und es wird relativ simpel erklärt, woraus die problematischen Transaktionen bestanden und was die Gründe dafür waren.

      Und das ist meiner Meinung nach sehenswert.

      Weiterhin frohe Fotopirsch
      Yvonne

    • #3589
      rwadmin
      Cheffe

      Leider, leider sind eben selbst die Eklärungen zu den problematischen Transaktionen in entscheidenden Punkten falsch.

      Und nochmal: Von dem Haufen Altlasten wussten genau drei Leute. Und die haben das mit einer dermaßen „kriminellen“ Energie vertuscht, dass selbst die Untersuchungskommission ohne Mitarbeit von Mori und Kikukawa nichts gefunden hätte. (Steht auch so im Bericht.) Von den meisten Vorgängen gab es überhaupt keine schriftlichen Unterlagen mehr, nur noch ein paar digitalisierte Dateien, die nicht im Firmennetz waren.

      Die japanische Unternehmenskultur ist folgendermaßen: Wir halten zusammen.
      Im Westen ist die Unternehmenskultur: Arbeite, bis Du nicht mehr kannst und dann wirst Du gefeuert. Die Firma wird dichtgemacht, wenn dem Vorstand die Umsatzrendite nicht mehr passt.

      Blöderweise funktioniert diese japanische Unternehmenskultur besser als die Westliche. Deshalb wollen westliche Unternehmen in japanische Firmen investieren um sie auszusaugen. Hat letzthin erst Mercedes mit Mitsubishi versucht. Ging schief. Wie immer. Wer ist schuld? Natürlich die „verkrustete“ japanische Unternehmenskultur.

      Woodford ist, was die Bilanzfälschung angeht, tatsächlich unbeteiligt. Sein „Verdienst“ ist es, mal schnell 5 Mrd Euro Unternehmenswert vernichtet zu haben. Dagegen sind die 1,2 Mrd Euro, die die externen Bankster verzockt haben, fast Portokasse. (Auch das kommt irgendwie nicht so ganz raus. Nicht Olympus hat die Kohle verzockt – das waren externe Anlageberater.)

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